Für jeden Menschen ist es ein großer Schritt, an einem neuen Ort einen Neuanfang zu wagen. Und für jede Gemeinde oder Landkreis ist es höchst vorteilhaft, Neuankömmlingen z.B. mit einer Willkommensbroschüre einen möglichst guten Start zu bereiten.
Neben Willkommenszeremonien (z.B. Neubürgerempfang) haben viele Kommunen auch Materialien die sie den Neubürgern mit an die Hand geben. In diesem Beitrag erhalten Sie einige Anregungen und Beispiele für solche „Willkommensmaterialien“, insbesondere im Hinblick auf fremdsprachige Zuwanderer.
Wieso und für wen?
Profitieren wirklich wie behauptet alle Kommunen von einem guten Start für Neuankömmlinge? Ich glaube schon, denn jede Kommune hat Interesse an Mitbürgern, die sich positiv in ihre Heimat einbringen und in die Gemeinschaft integriert sind. Ein kleiner Wegweiser am Anfang kann Probleme von vornherein vermeiden, die später nur mit viel größerem Aufwand gelöst werden können.
Dabei gibt es verschiedene Zielgruppen: Deutsche und ausländische Staatsbürger, Neugeborene (bzw. deren Eltern) oder auch neue Mitarbeiter in regionalen Firmen.
Willkommensbroschüre
Die Willkommensbroschüre ist ein Wegweiser für die neuen Heimat. Sie enthält Wissenswertes zum Ort, nennt die wichtigsten Anlaufstellen und informiert über Anknüpfungspunkte zum gesellschaftlichen Leben am Ort, wie z.B. Vereine und Veranstaltungen.
Allgemeine Willkommensbroschüren
enthalten üblicherweise:
- Grußbotschaft des Bürgermeisters bzw. Landrats
- Ämter und öffentliche Einrichtungen in Verschiedenen Lebenslagen
- Schulen und andere Bildungsangebote
- Arztpraxen und andere Gesundheitsangebote
- Freizeitangebote
- Ortskarte
- Portrait des Orts oder des Landkreises
Willkommensbroschüren für Migranten
enthalten zusätzlich:
- Beratungsangebote für Migranten
- Jobsuche Bewerbung und Arbeit in Deutschland
- Anerkennung von ausländischen Qualifikationen
- Wichtige Regeln und Vorgehensweisen in Deutschland
- Gesundheitssystem
- Schulsystem
- Angebote zum Deutsch lernen
Aktualität
Die Willkommensbroschüre ist gerade in den ersten Monaten eine wichtige Informationsquelle. Je konkreter Ansprechpartner und Kontaktdaten genannt werden, desto hilfreicher. Andererseits veralten diese Informationen viel schneller, wenn etwa eine Mitarbeiterin die Stelle wechselt.
Hier muss die Kommune abwägen zwischen der benötigten Auflage und der Häufigkeit von Änderungen. Evtl. kann man konkrete Ansprechpartner auch in einem Ausdruck benennen oder generell Bestandteile als Ausdrucke statt als Drucksachen vorsehen.
Große Schnittmenge: Image- und Willkommensbroschüre
Viele Kommunen haben eine allgemeine Imagebroschüre als Allround-Werkzeug. Sie richtet sich nicht nur an Neubürger, sondern auch an Touristen, Unternehmen mit Ansiedlungsambitionen, potenzielle Neubürger – Kurzum, an alle möglichen Interessenten.
Durch den vielfältigen Einsatz lohnen sich eine aufwändige Gestaltung und eine hohe Auflage. Die Imagebroschüre ist praktisch die Flaggschiff-Publikation einer Kommune. Oft sind Imagebroschüren ganz oder teilweise werbefinanziert, einige Verlage haben ein Geschäftsmodell daraus entwickelt.
Die folgende Grafik zeigt inhaltliche Überschneidungen zwischen Publikationen wie Imagebroschüre und Willkommensbroschüre.
Allgemein gehaltene Imagebroschüren
Die vielfältigen Einsatzgebiete, setzen der Informationstiefe aber Grenzen. Wenn man mit der Imagebroschüre für die Stadt werben möchte, muss man relativ allgemein bleiben und die positiven Aspekte der Kommune betonen. Details über Amtsgänge und Ansprechpartner in den Behörden oder zur Abfallwirtschaft sind für Neubürger sehr interessant, aber kaum für Touristen oder Fachkräfte, denen der Zuzug erst schmackhaft gemacht werden soll.
Eine allgemein gehaltene Imagebroschüre kann gut ein Teil eines Willkommenspakets sein, liefert aber üblicherweise nicht alle Infos, die für Neubürger interessant sind.
Imagebroschüren mit Detailinformationen
Wenn eine Imagebroschüre mehr ins Detail gehen und ihre Kommunikationsaufgaben erfüllen soll, muss sie m.E. einen inhaltlichen Schwerpunkt setzen, entweder Bürgerinformation oder Standortmarketing.
Eine Imagebroschüre mit Schwerpunkt Bürgerinformation kann also eine eigene Willkommensbroschüre ersetzen. Sie könnte dann noch mit einem persönlichen Anschreiben des Bürgermeisters bzw. des Landrats ergänzt werden und ggf. mit Informationen speziell für Zuwanderer ausländischer Herkunft.
Willkommenspakete
In Krisenzeiten (beim Erstellen dieser Zeilen ist gerade Krieg in der Ukraine) findet man unter „Willkommenspaket“ handfeste Hilfe wie Lebensmittel, Hygieneartikel oder Kleidung, die den Empfänger in den ersten Tagen erstmal mit dem Nötigsten versorgen soll. Hier soll es unter diesem Begriff aber um die Phase gehen, wenn diese Grundbedürfnisse schon erfüllt sind. Ein Willkommenspaket ist sinnvoll, wenn nicht nur eine Broschüre überreicht werden soll, sondern gleich mehrere Materialien wie zusätzliche Infoblätter, Antragsformulare, und Werbegeschenke. Für die abgebenden Stellen muss geklärt werden, welche Zielgruppe welche Materialien ins Paket erhält.
Paket nicht wörtlich nehmen – oder doch?
„Paket“ heißt eigentlich nur, dass verschiedene Materialien in eine gemeinsame Hülle gepackt werden. Zum einen, weil es für den Beschenkten handlicher zu transportieren ist. Zum anderen, weil die Verpackung heterogene Elemente zu einem einheitlichen Auftreten zusammenbringen kann. Oft ist das Paket eine Präsentationsmappe mit ausreichend Füllhöhe. Aber es sind auch Stofftüten, Rucksäcke, Kartonschachteln, Blechdosen und Körbe möglich… oder aber Leitz-Ordner, wie wir weiter unten noch sehen werden.
Beispiele für Willkommenspakete
- Beispiel Freiburg
Freiburg im Breisgau begrüßt Neubürgerinnen und Neubürger mit einem „Stadtsack“. Er enthält u.a. eine Broschüre zu Mobilität in Freiburg, ein Gutschein- und Erlebnisheft und einen Fahrradstadtplan. Und als Turnbeutel stellt er bereits in sich ein wertiges Werbegeschenk dar.- Insbesondere bin ich ein Fan von Gutscheinheften, siehe auch meinen Beitrag über Werbegeschenke. Beim Durchblättern kam aber etwas Ernüchterung dazu. Auf 47 Seiten habe ich viele Tipps und nur einen Gutschein entdeckt. Kann aber sein, dass das nur die Online-Fassung ist und die wirklichen abgezählten Gutscheine sind dann in der Printfassung enthalten.
- Interessant finde ich auch die Übergabeform und den thematischen Schwerpunkt auf Mobilität. Bei der Einbürgerung erhält man zunächst nur einen Coupon an einem Schlüsselanhänger. An 3 Ausgabestellen (2 davon bei den Verkehrsbetrieben 🙂 ) kann man den Coupon dann gegen den Stadtsack tauschen. Die Neubürger werden also auf eine kleine Schnitzeljagd geschickt und lernen ihre Stadt gleich mal besser kennen.
- Zur Projekt-Website und zum Gutschein- und Erlebnisheft
- Beispiel Landkreis Augsburg
Dieses von Exploredesign gestaltete Willkommenspaket kommt als Präsentationsmappe daher. Es enthält jeweils in Deutsch und einer von 9 Sprachen eine Willkommensbroschüre, eine Freizeitkarte und ein Grußwort sowie ein Postkarten-Set mit Motiven aus der Neuen Heimat. Deutschsprachige Neubürger erhalten eine dünnere Version der Broschüre, welche die keine migrantenspezifische Informationen enthält. Mehr dazu
- Beispiel Dornbirn
Die Präsentationsmappe „Willkommen in Dornbirn“ enthält „nur“ eine Lose-Blatt-Sammlung. Aber kein wildes Durcheinander, sondern hochwertig gestaltete, zueinander passende Informationshäppchen. Auf diese Weise ist die sehr flexibel ergänzbar mit neuen bzw. zielgruppenspezifischen Inhalten. Zur Mappen-Website
- Beispiel Gemeinde Igel
Die Igelner haben gleich zwei bemerkenswerte Willkommensmaterialien.- Zum einen eine Online-Willkommensmappe. Ganz ohne gedruckte Broschüre sind hier alle Infos für Neubürger in einem eigenen Bereich der Gemeindewebsite zusammengefasst.
- Und dann den „Igel-Kalender“. Es handelt sich um einen Wandkalender mit Abfallterminen und Veranstaltungshinweisen der Gemeinde, Vereine und Religionsgemeinschaften. Auf diese Weise haben alle Neu- und Altbürger täglich Möglichkeiten vor Augen, noch intensiver am Gemeindeleben teilzunehmen, sich also zu integrieren. Die charmante Kombination mit den Abfallterminen funktioniert natürlich am besten für kleinere Gemeinden, bei denen die Termine für den ganzen Ort auf denselben Tag fallen.
Willkommensordner
Der Willkommensordner ist ein Arbeitswerkzeug, dass den Neuankömmling in der ersten Zeit begleiten soll. Der Ordner bietet Raum für eigene Notizen und Unterlagen, die man bei Terminen erhält. So bleiben die Unterlagen beieinander und griffbereit. Registerkarten zu verschiedenen Themen vermitteln Struktur.
Die Anlaufstellen in der Kommune können gezielt Materialien zur Ergänzung des Ordners anbieten, und den Ordner in ihre Beratungstätigkeit integrieren, so dass er während der ersten Monate ein vertrauter Ankerpunkt für den Zuwanderer wird.
Alternativ kann der Ordner auch einfach mit losen Ausdrucken befüllt werden. Das Layout neuer Inhalte wird dadurch vereinfacht, weil nicht auf die Inhaltsaufteilung in Doppelseiten geachtet werden muss. Neue Informationen können einfach in eine Word-Vorlage eingepflegt werden.
Da die meisten Dokumente und Infoblätter in DIN A4 daherkommen, macht für einen Willkommensordner nur ein für A4 geeigneter Ordner mit robuster Hebelmechanik und großer Füllhöhe Sinn. Der Ordner wird also relativ groß und kann schlecht zum Bestandteil eines größeren Willkommenspakets werden. Mögliche Giveaways müssten also separat übergeben werden. Umgekehrt kann der Ordner auch selbst ein Willkommenspaket werden, wenn er z.B. mit einer eingehängten A4-Broschüre, weiteren Infomaterialien, Karten und Gutscheinen befüllt wird.
Beispiel Landkreis Börde: Auch dieser Willkommensordner ist als Instrument für die Integrationsarbeit angelegt. Die Informationen stehen nicht nur in Deutsch, sondern auch in einer von 6 Fremdsprachen bereit. Zur Projektwebsite
Einen Unterschied machen zwischen Neubürgern inländischer und ausländischer Herkunft?
Ganz dünnes Eis, kaum ein Thema wird so kontrovers diskutiert. Einige Leute wollen Zuwanderer ausländischer Herkunft nicht so gern willkommen heißen wie Deutsche, andere fordern von Anfang an gleiche Rechte und Chancen für Alle.
Tatsache ist, dass es für zugewanderte Migranten noch eine Reihe zusätzlicher Themen gibt, um die sich deutsche Zuwanderer nicht kümmern müssen, z.B. der Gang zur Ausländerbehörde oder das deutsche Gesundheitssystem. Es ist also legitim, dass Migranten anderes bzw. zusätzliches Infomaterial erhalten.
Außerdem werben Kommunen legitimerweise um bestimmte Zielgruppen, etwa junge Fachkräfte, Rückkehrer oder ansiedlungswillige Unternehmen. Dafür verwenden sie auch unterschiedliche Zielgruppenansprachen und Marketingmaßnahmen.
Im Sinne der Fairness und (aus gestalterischer Sicht) im Sinne eines einheitlichen Auftretens sollten aber die Materialien für Zuwanderer in- und ausländischer Herkunft einander stimmig ergänzen.
Sprachen
Insbesondere Flüchtlinge können noch nicht viel Deutsch sprechen und lesen, wenn sie hier ankommen. Sie müssen also anfangs in ihrer Muttersprache abgeholt werden.
Nur Deutsch
Einige Broschüren haben nur kurze Passagen in den wichtigsten Zuwanderer-Sprachen, z.B. kurzes Grußwort und Headlines. Die eigentlichen Texte sind dann auf Deutsch. Man geht wohl davon aus, dass es zunächst ausreicht, im Beratungsgespräch die wichtigsten Adressen und Telefonnummern zu markieren und dass die Zuwanderer im Lauf der Zeit so gut Deutsch können, dass Sie sich die restlichen Inhalte erschließen können. Oder man ist von der Verfügbarkeit von Übersetzungs-Apps überzeugt.
Faktor Smartphone: Übersetzungs-Apps & QR-Codes
In den allermeisten Fällen besitzen fremdsprachige Zuwanderer heutzutage ein Smartphone. Das Smartphone stellt eine enorme Hilfe bei der Orientierung in der neuen Umgebung dar. Ein Online-Angebot zur Integration ist z.B. die Integreat-App, auf die auch viele Willkommensbroschüren verweisen.
Aber es gibt – jenseits von Google Translate – auch Apps fürs Smartphone, die gedruckten Text scannen und unmittelbar übersetzen können. Ein Artikel der FAZ empfiehlt z.B. die Apps „DeepL Übersetzer“, „Microsoft Translator“ und „PROMT Offline Übersetzer-App“. Auf diese Weise können auf deutsch gedruckte Texte also auch ohne Sprachversion für Migranten zugänglich sein.
Noch sind diese Übersetzungs-Apps aber nicht allgemein verbreitet, nicht immer zuverlässig und können Texte nur häppchenweise sinnvoll erfassen. Bis es so weit ist, erleichtern eigens erstellte Sprachversionen das Textverständnis enorm.
Eine weitere nützliche Smartphone-Funktion ist das Lesen von QR-Codes. Durch sie kann jedes Druckerzeugnis mit einer Online-Fassung versehen werden. So muss nicht mehr jede Sprachversion gedruckt werden.
Weitere Ansätze für den Umgang mit Sprachen
Zur Broschüre (PDF)
Zur Broschüre (PDF)
Zur Broschüre (PDF)
Zur Broschüre (PDF)
Schlechteste Lösung Benutzerhandbuch
Ich bin mir noch nicht sicher, was die beste Lösung ist. Die schlechteste aber wäre es m.E., mehr als eine Handvoll Sprachversionen in einer Publikation zusammenzufassen. Jeden Leser interessiert nur ein geringer Teil, wie bei Betriebsanleitungen. Die Mehrkosten durch unnötig dicke Publikationen können schlecht durch die höhere Auflage aufgefangen werden, weil wegen des hohen Aktualisierungsbedarfs eine Auflage nur wenige Jahre benutzt werden kann.
Wie sieht eine gute Sprachlösung für Willkommensmaterialen aus?
Hier mein subjektives Fazit nach den bisher gesehenen Lösungen:
- Idealerweise sollten alle Materialien, die für Migranten während der ersten Monate relevant sind, auch in deren Muttersprache vorliegen. Eine Statistik der Herkunftsländer früherer Zuwanderer hilft bei der Auswahl der Sprachversionen. Die übersetzten Materialien könnten z.B. sein: Imagebroschüre, Willkommensbroschüre, spezielle Willkommensinfos für Migranten.
- Die Sprachversionen müssen dabei nicht gedruckt werden. Per QR-Code können die Broschüren mit ihrem Online-Pendant verlinkt werden, eine Sprachauswahl wird vorangeschaltet (siehe das Beispiel von Heilbronn). Ob ein Link für die Ganze Broschüre oder ein Link pro Kapitel abgedruckt wird, ist dabei Geschmackssache. Auf jeden Fall sollte man lieber mehr Geld in die Übersetzung stecken als in gedruckte Sprachversionen. Oder auf günstigere Übersetzungen setzen, wenn man den Einsatz von KI moralisch für vertretbar hält.
Wie sollten die Infos für Neubürger strukturiert sein?
Generell sehe ich 3 Möglichkeiten:
- Eine Willkommensbroschüre für alle Neubürger, die auch die meisten migrantenspezifischen Themen behandelt
- Eine Willkommensbroschüre für Deutsche, eine Willkommensbroschüre für Migranten.
- Eine Willkommensbroschüre allgemein, welche migrantenspezifische Themen nur anreißt in Kombination mit weiterem Infomaterial speziell für Migranten. Diese Lösung ist mein Favorit. Die Broschüre ist dann für Deutsche und Migranten gleichermaßen relevant. Für alle Beteiligten ist so klar erkennbar, welche ergänzenden Informationen Migranten erhalten.