Das Geld in der Region halten – Regional-Gutscheine, Bonuskarten und Co.
Immer mehr Orte und Landkreise, geben Regional-Gutscheine heraus. Welche Optionen gibt es und wie gehen andere Kommunen das Thema an anderen Beispielen lernen? Ich habe hier für Sie einige Anregungen zusammengetragen.
Wozu Regional-Gutschein oder Ähnliches?
Die Gutscheinsysteme werden meist von einem Gewerbeverein initiiert und anschließend von der lokalen Wirtschaftsförderung der Kommune oder des Landkreises unterstützt.
- Das Hauptmotiv ist stets die lokale Bindung der Kaufkraft, anstatt sie an internationale Player wie Amazon abfließen zu lassen.
- Ein wichtiger Faktor ist auch die Möglichkeit für Arbeitgeber, den Mitarbeitern bis zu 44-€ monatlich sachbezogene Leistungen steuerfrei zukommen zu lassen: Die Angestellten haben also mehr von ihrem Lohn, wenn dieser Betrag ausgeschöpft wird. Dafür gibt es auch unternehmensbezogene Lösungen wie edenred, aber besser für die Region ist, wenn diese Leistungen mit Gutscheinen oder Bonuspunkten regional gebunden werden.
- Ein Kundenbindungsinstrument auch für Unternehmen, für die sich bisher eine eigene Kundenkarte nicht lohnte. Jeder Mensch kann nur eine begrenzte Anzahl von Karten in der Geldbörse mit sich tragen.
- Einzelhänder und Gastronomen leiden schon seit Jahren darunter, dass immer mehr Käufe bei Online-Anbietern getätigt werden. Der Regional Gutschein ist also ein Zeichen guten Willens, sich dem Trend entgegenzustellen und Geld bewusst für die heimische Wirtschaft zu widmen.
- Die Corona-Lockdowns haben gerade Einzelhänder und Gastronomen in große Schwierigkeiten gebracht. Regional-Gutscheine sind eines der Werkzeuge, um ihnen gezielt zu helfen. Viele Gutschein-Initiative sind deswegen erst in der Coronakrise gestartet worden.
Das Prinzip Regional-Gutschein
So funktioniert’s: Der Konsument kauft einzelne Gutscheine bei der Ausgabestelle, z.B. dem Rathaus. Dabei gibt es Lösungen mit festen Stückelungen. Alternativ können die Werte auch manuell eingetragen werden und die Zahlung mit einem Stempel dokumentiert werden. Die teilnehmenden Händler können die eingenommenen Gutscheine dann bei der Ausgabestelle umtauschen.
Selber machen
Der Aufwand für Guscheine ist für die Organisatoren begrenzt, deshalb nehmen es viele Orte und Landkreise selbst in die Hand. Das ist zu tun:
- Gutschein gestalten und Einzahlung Quittieren
- Akzeptanzstellen gewinnen, z.B. mit Infoblatt und Einführungsveranstaltung, Infoabend für potenzielle Teilnehmer
- Gutschein der Öffentlichkeit kommunizieren, z.B. auf der Gemeindewebsite oder im Mitteilungsblatt
- Zusatznutzen für den Käufer kommunizieren
- Verkaufsargumente für Konsumenten: Lokalpatriotismus und soziale Verantwortung „Wir halten zam“,
- Schöne Geschenkidee, ggf. auch für spezielle Anlässe aufbereitet, 44€-Arbeitgeber-Gutscheine
- Beispiel Vierkirchner Gutschein mit manueller Werteintragung
- Beispiel Ismaning Gutschein mit festen Stückelungen
Themengutscheine
- Gezielte Corona-Hilfe z.B. Soforthilfegutschein der Stadt Marburg
- Gastronomie, z.B. Landkreis Kulmbach
- Kulturprogramm, z.B. Landkreis Kusel
Systemanbieter
für eine gewisse Nutzungsgebühr erhalten die Initiatoren ein bewährtes System „von der Stange“. Die Systeme sind bis zu einem gewissen Grad individuell anpassbar und dem Betreiber wird einigerorganisatorischer Aufwand abgenommen, etwa für die Online-Komponente oder die 44€-Komponente.
Beispiele:
- Regional Gutschein
Wahl zwischen allgemeinen Gutscheinen (Mit Themenmotiven, z.B.: Muttertag oder Weihnachten) und direkten Gutscheinen für spezielle Geschäfte. System von Hellmedia www.city-gutschein-software.de - Heimatgutschein Nürnberger Land mit dem System von zmyle
- Simmern Attraktiv mit dem System von Deltastone
Das Prinzip Bonuskarte
So funktioniert’s: Es gibt keinen Rabatt auf den aktuellen, sondern auf einen künftigen Einkauf. Der Rabatt könnte genauso gut ein kleiner Gutschein sein, oder ein Stempel auf der Stempelkarte. Tatsächlich sind es aber meist Bonuspunkte, die dem Kunden gutgeschrieben werden. Der Händler gibt echten Wert dazu in dem er Bonuspunkte, die bei anderen Händlern der Region gesammelt wurden bei sich einlösen lässt.
Bundesweit bekannt ist das Punktesammeln mit der „Payback“-Karte. Hier besteht der Reiz für die Händler (bundesweit agierende Ketten, dass Paybacksammler im Zweifel lieber bei ihnen einkaufen, weil sie dort Punkte für ihren Einkauf erhalten. Für die Punkte kann man mehr oder weniger Geldwerte Prämien eintauschen. In den 2000ern war Payback noch weiter verbreitet, inzwischen sind viele Händler wieder zu eigenen Bonuspunktsystemen übergegangen – Vielleicht waren die Teilnahmegebühren etwas zu hoch.
Vorteile gegenüber einem Gutschein-System
- Bonuskarten sind flexibler und spielerischer einsetzbar für diverse Marketingaktionen, z.B. Pauschale Punktgewinne oder Mehrfachzählung, z.B. 2-Fach Punkte bei Einkauf zu Happy-Hour. Gewinnspiele, Geburtstags-Extrapunkte
- Konsumenten stecken nicht selbst Geld in das System, es sind nur Rabatte der Händler
- Sie bieten von Anfang an Vorteile für Konsumenten (so stark wie der gewährte Rabatt / Punktewert)
- Mit einem Gutschein in der Hand, ist es für den Verbraucher egal, ob er in einem Geschäft mit Gutschein oder nur mit Euros zahlen kann. Die Vergabe von Punkten ist für Händler dagegen ein echter Wettbewerbsvorteil ggü. nicht teilnehmenden Geschäften.
Selbst gemacht
Bonuskarten sind für eine Kommune deutlich aufwändiger zu managen als Gutscheine.
- Jeder teilnehmende Konsument braucht ein eigenes Online-Punktekonto, über das er Punkte ausgeben kann und auf das ihm Punkte gutgeschrieben werden können. Das erfordert eine Authentifizierung mit Kundennummer sowie Passwort oder Ausweis
- Beispiel Bonuskarte Dillingen
Systemanbieter
Bei den Bonuskarten scheinen die Systemanbieter zu dominieren, wahrscheinlich weil sie komplexer zu handhaben sind als Gutscheine.
Beispiele
- Stadt Delbrück mit System von Mein BonusCash
- Bonuskarte Hochschwarzwald mit System von Brain Behind
Nächstes Level: Berührungslose Gutschrift mit Chipkarten
Einige Systemanbieter rüsten die Bonuskarten mit Chips aus und ermöglichen damit mehr Komfort und Anwendungen.
- Chripkarten ermöglichen die berührungslose Punktegutschrift bei einer (Kauf)handlung, also mehr Komfort.
- Chipkarten können bei Automaten eingesetzt werden, z.B. Parkscheinautomat. Das finde ich besonders bemerkenswert, die Bürger zahlen wohl bereitwilliger mit Bonuspunkten als mit „echtem Geld“ für eine immaterielle Sache wie Parken. Ein Beispiel ist die Stadt Villach mit City Bonus Villach
- ein Stammkundenzusatzbonus für einzelne Geschäfte kann leichter realisiert werden, also ein gleichwertiger Ersatz für die eigene Kundenkarte
Das Prinzip Regionalwährung
So funktioniert’s, zumindest theoretisch: Die Verbraucher tauchen Euros in die Regionalwährung um, die nur bei den regionalen Akzeptanzstellen eingelöst werden kann. Anders als bei Regional-Gutscheinen haben die Regionalwährungen einen eingebauten Wertverfall. Dieser soll die Verbraucher motivieren, das Geld bald wieder auszugeben statt zu horten. Mit den nicht mehr ausgezahlten Euros sollen außerdem gemeinnützige Projekte finanziert werden.
In den 2000er Jahren waren Regiogelder sehr populär, heutzutage werden aber mehr dieser Projekte aufgegeben als neu gestartet. Die Initiatoren waren meist Idealisten, die aus politischen Motiven heraus handelten. Das bekannteste noch aktive Beispiel ist der „Chiemgauer“. Ein erhellender Artikel zum Thema findet sich hier
Das Prinzip Gutscheinheft bzw. 2zu1-Gutscheinbuch
So funktioniert‘s: Kennen Sie das Schlemmerbuch, das eine Fülle von Restaurantgutscheinen enthält nach dem System „Zahl für 1, Iss für 2“. Ein Buch ist jeweils für ein Jahr gültig, danach verfallen die enthaltenen Gutscheine. Die teilnehmenden Restaurants zahlen nichts für die Veröffentlichung im Buch, bekommen aber auch keinen Anteil am Verkaufspreis und müssen sich an die Zusagen aus dem Buch halten.
Bei Konsumenten sind die Gutscheinbücher sehr beliebt, da sie für einen spürbaren Mehrwert bekommen. Die Bücher gibt es für jede Region in Deutschland, wenn auch nicht immer genau nach Landkreisen unterteilt.
Was haben Gastronomen davon, so starke Rabatte zu geben? Nachdem es pro Restaurant nur einen Gutschein pro Buch gibt, besteht die Hoffnung, dass es dem Kunden gefällt und er nicht erst wieder nächstes Jahr mit dem nächsten Gutscheinbuch wieder kommt, sondern auch dazwischen, zum Normalen Preis. Es geht also um Neukundengewinnung.
Gutscheinhefte für Kommunen
Im kommunalen Bereich gibt es Gutscheinhefte oft als Willkommensgeschenk für Neubürger, üblicherweise mit Gutscheinen von kommunalen Unternehmen, z.B. Hallenbad oder Museum.
Für spezielle Zielgruppen und Anlässe, wird es auch für Privatunternehmen interessant sein, sich bei solchen Gutscheinheften zu beteiligen. Die Stadt Eberswalde gibt z.B. ein Gutscheinheft für Auszubildende heraus.
Kostenpflichtige 2zu1-Gutscheinhefte für Kommunen
Nur mal als Gedankenspiel: Wie könnten Kommunen das Prinzip der Gutscheinhefte nutzen?
Der Vorteil der Gutscheinhefte ist ihre starke Attraktivität für den Konsumenten. Sie kaufen für relativ wenig Geld eine Wundertüte, deren einzulösender Wert den Kaufpreis bei weitem übersteigt.
Die Gutscheine sind direkt mit den teilnehmenden Unternehmen zu verbunden, ohne Umweg über allgemein formulierte Gutscheine. Beim Regional-Gutschein https://www.regional-gutschein-geschenk.de/index.htm findet sich das als Option wieder, der Käufer muss dort allerdings den vollen Wert einzahlen und hat keinen direkten Mehrwert
Die beteiligten Unternehmen könnten anders als beim Schlemmerbuch am Verkaufserlös beteiligt werden oder es könnten weitere Wifö-Aktionen könnten damit finanziert werden.
Online-Schaufenster und Virtuelle Kaufhäuser
Ergänzend zu den Gutscheinen bieten viele Gewebevereine und Wifös auch Online-Schaufenster an, in denen sich die Unternehmen der Region präsentieren können. Besonders sympathisch kommt die Stadt Luckau rüber mit einem digitalen Schaufenster-Rundgang.
Es gibt auch viele Privat betriebene Plattformen wie z.B. Dahoam in Dachau. Als Geschäftsmodell entspricht es eher den regionalen Anzeigenblättern. Werbung wird mit regionalen Nachrichten ergänzt, um die Aufmerksamkeit der Konsumenten zu erhalten. Umgekehrt gehen natürlich auch die klassischen Print-Anzeigenblätter immer mehr online, Donau-Ries-Aktuell und das entsprechende „Blättle“.
Einen Schritt weiter gehen virtuelle Kaufhäuser, in denen man nicht nur die teilnehmenden Unternehmer sehen kann, sondern deren Produkte gleich erwerben kann. Hier habe ich bei einer ersten Suche nur zwei Beispiele von Systemanbietern gefunden, keine selbst entwickelte Lösung.
Virtuelles Kaufhaus Altmuehlfranken (Landkreis Weissenburg-Gunzenhausen)
Hier finden die Konsumenten Produktangebot lokaler Händler vor Ort und können online shoppen gehen. Die Kunden können ihre Bestellungen dann entweder im Laden abholen oder noch am selben Tag liefern lassen. Hinter diesem Portal steht der Systemanbieter „Atalanda“. Hier finden Sie dazu einen Bericht im BR-Fernsehen.
Lozuka Siegen
Die Seite Lozuka Siegen funktioniert mit dem System Lozuka. Dazu gab es auch einen interessanten Artikel in der Zeit.
100prozenthof
Hier hat ein Online-Schaufenster ein virtuelles Kaufhaus mit integriert. Es ist allerdings noch weniger fortgeschritten als die Lösung der spezialisierten Anbieter. Zum Beispiel gibt es noch keine Produktkategorien, was einen Einkaufsbummel sehr erschwert. Technisch steht dahinter der City-App Systemanbieter „Lokalpioniere“
Wie viele verschiedene Ansätze verträgt eine Region?
Weil wir eine Marktwirtschaft sind, dürfen (zum Glück) mehrere Lösungen und Initiativen gleichzeitig um die Gunst der Konsumenten ringen. So existieren z.B. im selben Gebiet die Regionalwährung „Chiemgauer“ und Gutscheinsystem „Regional-Gutschein“. Oft überschneiden sich die Systeme auch nur punktuell und können gut koexistieren, so wie es auch meherere Anzeigenblätter dauerhaft nebeneinander gibt. Es ist aber bestimmt für die Region als Ganzes vorteilhaft, wenn sich die verschiedenen Ansätze miteinander integrieren lassen.
Hier sind mir diese Beispiele besonders aufgefallen.
- Stadt Nördlingen: „Nö-Card“ und Nördlinger Gutscheinkarte
Vom Nördlinger Stadtmarketingverein gibt es sowohl eine Bonuspunktekarte als auch einen Gutschein. Beide Systeme können für Aktionen kombiniert werden. Bei einer Aktion zugunsten der lokalen Gastronomie während des Corona-Lockdowns zum Beispiel hiess es „Hol Dir ein Essen nach Haus und eine 5 Euro Gutscheinkarte springt raus!“ Statt des Gutscheins konnte man sich den Gegenwert in Bonuspunkten auch auf die Nö-Card buchen lassen. - Landkreis Cham: Der Landkreis überrascht mit gleich 8 regionalen Gutscheinverbünden, die sich jeweils auf ein Gemeindegebiet beschränken. Der Werbekreis der Stadt Roding ist einer dieser Verbünde und hat sich mit der Rodinger Mark etwas ganz besonderes einfallen lassen, siehe Abbildung rechts.
Erfolgsfaktoren für Regional-Gutscheine und Co.
Nun ist Exploredesign ein Grafikstudio und kein Marketing-Spezialist. Mit diesen Behauptungen hänge ich mich aber bestimmt nicht zu weit aus dem Fenster:
- Das System muss für Verbraucher und Einzelhändler einen substanziellen Mehrwert bieten.
Ein Gutschein, ohne dass Händler oder Kommune etwas verschenken ist ein Nullsummenspiel, das den Verbrauchern keine Anreize bietet. - Langfristiges Engagement zahlt sich aus.
Es dauert eine Weile, bis die Bürger und die Unternehmer mit einem Gutscheinkonzept vertraut sind und es in ihrem Alltag als nützlich empfinden. Es sollte daher nicht alle Jahre komplett über den Haufen geworfen werden. - Wenn der Staat mitspielt, ist Fairness oberstes Gebot.
Wenn die Kommune eine Plattform offiziell fördert oder selbst eine Plattform bereitstellt, sollte allen Wirtschaftstreibenden ein fairer gleichberechtigter Zugang ermöglicht werden und die Geldflüsse transparent kommuniziert werden. - Das Projekt und vor allem der Mehrwert müssen ständig kommuniziert werden.
Am besten sollte man das Gutscheinsystem immer wieder in neuen Aktionen mit einbringen, z.B. bei Wettbewerben und Volksfesten. Ziel ist der schrittweise Aufbau als eigene Heimatmarke.
Ich hoffe, Sie haben nun einige Denkanstöße zu Kaufkraftbindung in der Region erhalten. Sicher sind Sie auch schon selbst mit Gutscheinlösungen in Kontakt gekommen. Wenn Sie auf besonders gute, schlechte oder einfach nur ungewöhnliche Lösung stoßen, geben Sie mit bitte einen Hinweis. Ich bin dankbar für weitere Anregungen
Sie haben eine Anmerkung zum Thema? Oder sind auf der Suche nach einem guten Design für
Kommunen?
Ich freue mich auf Ihre Nachricht.